IT-Gehaltsexperte: „Sobald sich Leute am Markt bewegen, wird es wirklich teuer“
Hiring
August 16, 2022
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IT-Gehaltsexperte: „Sobald sich Leute am Markt bewegen, wird es wirklich teuer“

Barbara Oberrauter-Zabransky
Barbara Oberrauter-Zabransky

IT-Fachkräfte zählen weiterhin zu den bestbezahlten Berufsgruppen der Welt. Das stellt Arbeitgeber vor große Herausforderungen: Wie bestimmt man den Marktwert einer Position? Wie gehe ich mit überhöhten Gehaltsforderungen um? Und was kann ich tun, um abseits finanzieller Anreize geeignete Entwickler*innen anzusprechen? Gehaltsexperte Conrad Pramböck verrät im Interview mit WeAreDevelopers die Antworten.

WeAreDevelopers: Es gibt keine richtige Antwort auf die Frage, wie viel man Softwareentwickler*innen eigentlich zahlen sollte. Wie können Arbeitgeber einschätzen, welches Gehalt angemessen ist?

Conrad Pramböck: Ich empfehle Unternehmen, intern eine Verteilungskurve zu definieren und dann zu schauen, was für sie realistisch und stimmig ist. Von unten drückt der Kollektivvertrag. Da bewegen sich die Gehälter in der Software-Entwicklung bei rund 35.000 Euro pro Jahr, egal ob HTL-Absolvent oder Akademiker. Dann gibt es die große Anzahl jener, die mit ein paar Jahren Erfahrung rund 40.000 bis 60.000 Euro pro Jahr verdienen. Und ganz oben sind die Top-Experten, die extrem hohe Gehälter bis zu 120.000 Euro verdienen. Das sind Gurus, die einfach sagen, was sie haben wollen, und die Firmen zahlen es.

Aktuell können Entwickler*ìnnen ja verlangen, was sie wollen, oder?

Viele Firmen kämpfen damit, dass die Gehaltserwartungen der Mitarbeiter am Markt rund 30% über dem liegen, was bestehende Mitarbeiter im Unternehmen derzeit verdienen. Ich muss also sehr viel Geld in die Hand nehmen, um neue Leute an Bord zu holen. Mein Tipp: Es ist aktuell tatsächlich günstiger, Mitarbeiter mit einer Lohnerhöhung zu binden, als sich neue Leute zu holen. Sobald sich die Leute am Markt bewegen, wird es wirklich teuer.

Gehaltsangaben weichen je nach Untersuchungsmethode zum Teil enorm voneinander ab. An was können Unternehmen sich orientieren?

Ich kann natürlich versuchen, mich im Netz zu orientieren – bei Halsweh schaue ich ja auch erst mal bei Dr. Google nach (lacht). Das Problem: Im Internet finden sich Durchschnittswerte, die zum Teil sehr widersprüchlich und verwirrend sind. Ich brauche aber keinen Durchschnitt, sondern nur eine einzige Person, die gut zur Position und ins Unternehmen passt.

Meine Empfehlung ist daher, sich erst einmal umzusehen und einen gewissen Eindruck zu verschaffen. Den Rest zeigt der Markt: Wenn mir gar nichts anderes einfällt, kann ich auch schauen, wie weit ich mit einem gewissen Gehaltsangebot komme. Wenn das nicht klappt, kann ich mich natürlich auch die Unterstützung eines erfahrenen Gehaltsexperten holen.

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Gerade in der IT werden Gehälter aktuell immer weiter nach oben gepokert. Müssen Unternehmen da mitspielen?

Manche Unternehmen können sich die aktuellen Preise gar nicht mehr leisten und nehmen einfach keine neuen Mitarbeiter mehr auf. Stellen offen zu lassen, ist aber oft zu kurzfristig gedacht – gerade jetzt braucht es dringend Personal, um Umsatz zu machen. Das Problem: Jeder, der einen Job haben will, hat derzeit auch einen Job. Ich kenne Headhunter, die Aufträge für IT-Positionen schon ablehnen, weil es einfach keine Leute dafür gibt. Wir müssen uns mit der Situation vertraut machen, dass manche Positionen aktuell einfach nicht besetzt werden können – zumindest nicht mit dem Mindset, das aktuell noch in vielen Unternehmen vorherrscht.

Haben Arbeitgeber auch andere Möglichkeiten, abseits hoher Gehälter IT-Fachkräfte für sich zu überzeugen?

Aktuell herrscht ein Bieterwettbewerb um IT-Fachkräfte, den man auf Unternehmerseite gar nicht mehr gewinnen kann. Ich habe oft den Eindruck, dass hier diverse Wünsche befriedigt werden, auf die eigentlichen Bedürfnisse von Fachkräften aber achtet man zu wenig. Die Leute wünschen sich Flexibilität, spannende Projekte, interessante und gut ausgebildete Kollegen – das lässt sich mit Geld gar nicht aufwerten. Natürlich muss ich marktüblich zahlen und auf die finanziellen Bedürfnisse meiner Kandidaten eingehen. Gewisse Dinge lassen sich aber nicht monetär abbilden, und das ist für viele Unternehmen eine vollkommen neue Situation.

INFO

Conrad Pramböck führt weltweit Gehaltsvergleiche durch und unterstützt Klienten bei der Gestaltung marktüblicher, motivierender Gehaltssysteme. Als Geschäftsführer des Beratungsunternehmens Upstyle Consulting GmbH unterstützt er Unternehmen in allen Gehaltsfragen weltweit, unabhängig von Branche, Position oder Hierarchieebene. Mehr Infos unter https://upstyle-consulting.com/ sowie https://conradpramboeck.com/

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